Donnerstag, 21. Januar 2010
Anschein der Wichtigkeit
Man kann diese Besorgtheit, mit der sich Literatur um sich bekümmert, als schiere Selbstgefälligkeit verurteilen. Die Literatur mag, in all dieser Unrast, sich noch so sehr ihrer Nichtigkeit, ihres mangelnden Ernstes, ihrer Unaufrichtigkeit versichern; gerade dass sie zu solcher Übertreibung neigt, wirft man ihr vor. Sie gibt sich den Anschein der Wichtigkeit, indem sie sich zum Gegenstand des Zweifels macht. Sie bestätigt sich, indem sie sich entwertet. Sie sucht sich gar: das ist mehr, als sie darf. Denn sie ist vielleicht Teil der Dinge, die gefunden, nicht aber gesucht zu werden verdienen.
Von seinem ersten Schritt an, sagt Hegel sinngemäß, ist das Individuum, das schreiben will, in einen Widerspruch verstrickt: um zu schreiben, bedarf es des Talents zu schreiben; an sich betrachtet aber, ist Begabung ein Nichts. Solange er sich nicht an seinen Tisch gesetzt hat, hat er kein Werk geschrieben, ist der Schriftsteller nicht Schriftsteller und weiß nicht, ob er die Befähigung hat, es zu werden. Talent hat er erst, nachdem er geschrieben hat, aber er bedarf des Talents, um zu schreiben.
Der Schriftsteller ist kein idealistischer Träumer, er versenkt sich nicht in die Betrachtung der Innerlichkeit seiner schönen Seele, er vergräbt sich nicht in die Gewissheit seiner Talente. Seine Talente setzt er vielmehr ins Werk, d.h. er bedarf des Werks, das er hervorbringt, um sich ihrer und seiner selbst bewusst zu werden. Der Schriftsteller findet sich, verwirklicht sich nur durch sein Werk; ehe er sein Werk nicht geschaffen hat, weiß er nicht nur nicht, wer er ist, sondern ist er ein Nichts.
Wie aber kann, wenn er nur durch sein Werk existiert, dieses seinerseits existieren ? Das Individuum, sagt Hegel, kann nicht wissen, was es ist, ehe es sich durch sein Tun zur Wirklichkeit gebracht hat. – Es scheint aber hiermit den Zweck seines Tuns nicht bestimmen zu können, ehe es getan hat; aber zugleich muss es, indem es Bewusstsein ist, die Handlung vorher als die ganz seinige, d.h. als Zweck vor sich haben. Wie vermöchte der Schriftsteller sein Werk als bewussten Zweck seiner bewussten Handlungen zu setzen, wenn er dieses nicht schon als ausgebildeten Entwurf vor sich hätte ? Wenn aber das Werk in seinem Geiste schon vollkommen gegenwärtig ist und diese Gegenwart dem Werke wesentlich ist, warum sollte er es dann noch verwirklichen ? Entweder ist es als inneres Vorhaben alles, was es sein wird, und weiß der Schriftsteller von diesem Zeitpunkt an alles, was es ihn lehren kann, so dass er, ohne es in Worte zu übersetzen, ohne es zu schreiben, es in seinem Schattenreich belässt – dann aber wird er nicht schreiben und nicht Schriftsteller sein. Oder aber er sieht ein, dass sein Werk nur verwirklicht werden kann, dass es nur durch die Worte, die es in der Zeit entfalten und in den Raum einschreiben, Wert, Wahrheit und Wirklichkeit hat und beginnt zu schreiben, von nichts ausgehend, auf nichts hingehend und wie ein Nichts in das Nichts hinarbeitend.
Ein Autor, der auf ein Publikum hinschreibt, schreibt in Wahrheit nicht: dann ist das Publikum, das schreibt und es kann aus diesem Grund nicht länger Leser sein; sein Lesen ist bloßer Schein, in Wirklichkeit nichtig. Daher die Bedeutungslosigkeit von Werken die geschrieben wurden, um gelesen zu werden – niemand liest sie. Daher die Gefahr für andere zu schreiben, um anderen zur Sprache zu verhelfen und um sich selbst zu finden; denn die anderen verlangen nicht, die eigene Stimme zu hören, sondern eines anderen Stimme, eine wirkliche, unergründliche Stimme, die störend ist wie die Wahrheit.
Das Werk, das von dem Einsamen geschaffen wurde und in die Einsamkeit gebannt ist, enthält in sich einen Ausblick, der jedermann interessiert, fällt ein impliziertes Urteil über die anderen Werke und über die Probleme der Zeit; es macht sich zum Komplizen dessen, was es preisgibt und seine Gleichgültigkeit nimmt heuchelnd an der Leidenschaft aller teil.
Die Täuschung hat mehrere Ursachen. Die erste ist, wie wir so eben sahen, dass die Literatur aus unterschiedenen Momenten besteht, die auseinandertreten und sich einander entgegensetzen. Die Ehrlichkeit, analytischen Wesens, will diese Wahrheit durchschauen; sie scheidet die Momente. Vor ihrem Blick ziehen nacheinander der Autor, das Werk, der Leser vorüber; die Kunst des Schreibens, das Geschriebene, die Wahrheit des Geschriebenen oder die Sache selbst; der Schriftsteller, der Arbeit ist, Bewegung einer Verwirklichung, die gleichgültig ist gegenüber dem, was sie zu verwirklichen hat; der Schriftsteller, der das Resultat dieser Arbeit ist, seine Geltung die dem Resultat und nicht jener Arbeit verdankt, die ebenso wirklich ist wie der Gegenstand, den sie herstellt; schließlich der Schriftsteller, der durch dieses Resultat nicht mehr bejaht, sondern verneint wird und das vergängliche Werk zu retten sucht, indem er dessen Ideal, die Wahrheit des Werks rettet. Er ist die Bewegung, als gleichgültige Abfolge gesetzt, der versammelt und eint.
-Schreibe um Nichts zu sagen
-Schreibe um Etwas zu sagen
-Kein Werk, sondern die Erfahrung deiner Selbst, das Erkennen des dir Unbekannten
-Ein Werk ! Ein wirkliches Werk, das den anderen etwas bedeutet und anerkannt wird von ihnen
-lösche den Leser
-Erlösche vor dem Leser dich selbst
-Schreibe um wahrhaftig zu sein.
-Schreibe für die Wahrheit
-dann sei Lüge, denn in Ansehnung der Wahrheit schreiben heißt schreiben, was noch nicht wahr ist und vielleicht niemals wahr sein wird.
-Gleichviel. Schreibe um zu handeln.
-Schreibe,zumal du, der du Angst hast zu handeln.
-lass in dir die Freiheit sprechen.
-Ach, lass nicht zu, dass Freiheit dir zu einem bloßen Wort gerinnt.
- Maurice Blanchot
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